Nach kurzer Zugehörigkeit zu den Protestanten wurden wir doch endlich Katholiken. Vater Riou, der Pfarrer von Vernoux, nahm uns wieder in die katholische Kirche—die allein angeblich die reine Wahrheit besaß—auf. Wir gingen nach der Schule fleißig in den Katechismusunterricht.

Dort wurde uns beigebracht, daß es in diesem wunderbaren Glauben einen Messias gab, der das Evangelium der Liebe predigte. Da hat sich der 13-jährige Alfred gewundert, wie dies möglich sei, "Denn die, mit ihrer Liebe wollen mich unbedingt umbringen. Was wäre erst, wenn die mich nicht lieben würden?"

Alone!
Mutterseelenallein!

Auf dieses Rätsel fand er keine Antwort. Auf dem Bauernhof gab es nur den Katechismus als einzigen Lesestoff. Durch das ständige Lesen dieses einzigen Buches, vor allem während des langweiligen Ziegenhütens, wurde ich natürlich der allerbeste Schüler im Religionsunterricht.

Es war bekannt, daß es in "unserer" Gegend, der Provinz Berry, überhaupt keine Protestanten mehr gab. Dort wurden absolut alle zur Zeit des Sonnenkönigs und seines Enkels, Ludwig des XVten, "le Bien-Aimé" (der "Beliebte") genannt, umgebracht.

Die Männer wurden versklavt, mußten zumeist auf Galeeren schwerste Arbeit verrichten, bei der viele schon nach kurzer Zeit an Erschöpfung starben.

Hier in den Bergen des Vivarais konnten manche überleben. Deswegen gibt es dort noch heute evangelische Kirchen. Jude sein ist in dieser Gegend kein Begriff, weil alle Juden im Mittelalter "eliminiert" wurden. Also war die Gegend "judenrein" und das Wort "Jude" wurde nur während der Ostermesse erwähnt.

Im Herbst wurde ich dem Nachbarbauer als Hilfskraft zugeteilt. Nachts musste ich zusammen mit seinen Knechten im Kuhstall auf dem kalten, nur mit ein wenig Stroh abgedeckten Boden schlafen. Die Knechte waren ursprünglich Waisenkinder aus der staatlichen Fürsorge und wurden später in das "156. Ardèchois Regiment" eingezogen, das zufälligerweise das KZ "Les Milles überwachte."

Sie wunderten sich wohl und dachten: "Was haben diese Juden nur über die Strohsäcke zu meckern? Bei uns auf den Bauernhöfen gibt es doch auch nichts anderes!"