Germania 1936
Germania 1936

Regelmäßig wurde die Bevölkerung zu einem Judenhaß-Irrsinn aufgehetzt: Lautsprecher wurden gegenüber dem Isidorschen Haus an den Mauern der Ortsbürgermeisterei aufgestellt, und der neueste Erlöser, der Österreicher, und sein Helfershelfer, der klumpfüßige Propaganda-Minister Goebbels, brüllten in wütender und tobsüchtiger Art, bis meine Schulkameraden so aufgeregt wurden, daß sie hin und her vor unserem Haus, von einem gewissen Karl Mohr geleitet, paradierten. Die Buben gehörten zu der sogenannten "Hitlerjugend" und die Mädchen zu dem "Bund Deutscher Mädchen," dem BDM. Mit Stolz trugen die meisten ihre Uniform mit den Hakenkreuz-Insignia, ein koreanisches Zeichen, das irgendwie ein neues Leben bei den Nazi-Germanen fand.

Mein erster und allerbester Freund war auch dabei und sang mit "Wenn Judenblut von den Messern spritzt, usw." Ich stand vor der Tür, schaute zu und wurde in dieser Nanosekunde absolut verwirrt; ich dachte: "Wenn der Adi da mitmacht, dann kann ein jeder mitmachen. Freundschaft bedeutet also nichts." Vater sagte: "Nicht hinhören. Das Volk ist doch dumm. Die meinen es ja nicht so."

Für mich war es danach kaum mehr möglich, mit einem Christ eine richtige Freundschaft zu haben.